Ich mache mir Sorgen um eine Kollegin/einen Kollegen

Einer Kollegin/einem Kollegen geht es nicht gut. Das anzusprechen, ist genau die richtige Idee. Diese Gesprächstipps helfen dir dabei.

Burnout, Stress oder private Sorgen eines Arbeitskollegen können das Arbeitsklima aller belasten. Gerade im Betrieb ist deshalb rasches Ansprechen von Problemen für die Zusammenarbeit wichtig. Hast du beobachtet, dass eine Kollegin/ein Kollege über mehrere Wochen
  • langsamer arbeitet oder mehr Fehler macht
  • häufig unkonzentriert ist oder gereizt reagiert
  • sich plötzlich öfter krank meldet oder zu spät kommt
  • irgendwie verändert, übernächtigt oder traurig wirkt
  • Überstunden anhäuft, ohne dass die Arbeitslast zugenommen hat?

Spätestens dann, wenn du deutlich ungute Gefühle hast oder in deiner Freizeit gedanklich mit der Situation beschäftigt bist, solltest du den Kollegen darauf ansprechen.

Reden hilft

Psychische Belastungen machen vor dem Arbeitsplatz nicht halt und können jeden treffen. Wenn schwierige Situationen lange andauern, kann dies zu Erkrankungen führen. Dies schränkt die Arbeitsleistung ein, belastet das Arbeitsklima oder führt zu Krankschreibungen. Du kannst dazu beitragen, dass es gar nicht soweit kommt. Für den ersten Schritt ist es für deine Kollegin vielleicht einfacher, mit dir zu sprechen, als sich an die Vorgesetzten zu wenden. Mach den ersten Schritt.

Gespräche ermöglichen Lösungen

Im Arbeitsumfeld haben viele Menschen Hemmungen, psychische Belastungen anzusprechen. Du willst deinem Kollegen nicht zu nahetreten. Doch zeigst du ihm mit deiner Ansprache, dass er wahrgenommen wird und dir wichtig ist. Je früher jemand im Kollegenkreis reagiert, umso besser könnt ihr die Situation abfangen.

Gespräche entlasten und geben Kraft

Gespräche allein lösen keine Probleme in Luft auf. Erwarte nicht, dass sich nach eurem Gespräch gleich alles verändert. Aber: Ein Gegenüber zu haben, das zuhört, sich interessiert und mitfühlt, entlastet und tut gut.

Du brauchst die Probleme nicht zu lösen

Die Angst davor, die angesprochenen Probleme lösen zu müssen, hält viele von einem Gespräch ab. Du kannst weder die Situation in deiner Firma noch private Gegebenheiten deiner Kollegin verändern. Dein offenes Ohr und dein Interesse sind bereits die Hilfe.

«Kollegen merken am ehesten, ob sich Betroffene verändern»

Marlies vom Dt. Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker im Interview bei welt.de

Gespräch herbeiführen

Beachte deine eigene Stimmung

Such das Gespräch dann, wenn du dich gut fühlst und es dir zutraust.

Überleg dir einen geeigneten Zeitpunkt

Gespräche mit Tiefgang nehmen Zeit in Anspruch. Beginn also kein Gespräch, wenn du oder dein Gegenüber nach 10 Minuten wieder los müssen. Manchmal hilft es zu fragen, wann deine Kollegin Zeit für ein Gespräch hat.

Ich möchte gerne in Ruhe etwas Persönliches mit dir bereden. Wann hättest du mal Zeit?

Finde einen geeigneten Ort

Ihr solltet ungestört sein und euch beide wohlfühlen. Vielen Menschen fällt es im Gehen leichter, über schwierige Dinge zu sprechen. Ein Spaziergang am Mittag könnte eine gute Gelegenheit bieten.

Sollen wir auswärts zusammen Mittagessen oder nach der Arbeit ein Stück gemeinsam gehen?

Es ist o. k., wenn es nicht klappt

Es ist möglich, dass dein Gegenüber nicht auf dein Gesprächsangebot einsteigt. Nimm es nicht persönlich. Vielleicht fühlt sich die andere Person momentan nicht in Stimmung, oder vielleicht muss sie erst Mut fassen. Versuch es später wieder.

O.k., das verstehe ich. Würde es dir ein anderes Mal besser passen?

Übrigens: Du kannst dich beraten lassen, wie du am besten vorgehen sollst. Du findest hier Adressen und Angebote.

Das ist wichtig im Gespräch

So kannst du anfangen:

Ich mache mir Sorgen um dich: Du wirkst in letzter Zeit etwas bedrückt.

Es beschäftigt mich, dass du mittags nicht mehr mit uns essen kommst. Geht es dir nicht so gut?

Ich habe mitbekommen, dass deine Tochter dir grosse Sorgen macht. Ich stelle mir das sehr belastend vor. Wie geht es dir dabei?

Zuhören ist das Wichtigste

Viele Menschen haben Angst, nicht die richtigen Worte zu finden. Sie unterschätzen dabei, wie gut es tut, wenn jemand einfach mal zuhört und Anteil nimmt. Geh mit der Einstellung ins Gespräch, dass du nachempfinden möchtest, was dein Kollege fühlt. Überlege dir gute Fragen, statt nach Antworten zu suchen.

Kommst du morgens noch gerne zur Arbeit?

Was müsste sich ändern, damit du dich besser fühlst?

Du hast doch jetzt zusätzlich die Dossiers von Kollegin Y übernommen: Wie ist das jetzt so für dich?

Mitgefühl zeigen

Es tut gut, wenn man sich verstanden fühlt. So kannst du dein Mitgefühl ausdrücken:

Ich kann nachvollziehen, dass dich das belastet.

Es tut mir leid, dass es dir so schlecht geht.

Schweigen aushalten

Im Gespräch über schwierige Situationen fehlen manchmal allen die Worte. Lass Pausen und Schweigen zu. Manchmal hilft auch folgende Aussage, um das Gespräch wieder in Gang zu bringen:

Ich weiss jetzt auch grad nicht, was sagen

Eigene Grenzen ernst nehmen

Wenn du den Eindruck hast, dein Gegenüber brauche mehr Unterstützung, kannst du sagen:

Ich weiss da jetzt auch nicht weiter.

Hast du dir schon einmal überlegt, mit der Teamleitung/jemandem von der HR-Abteilung zu sprechen?

Ich glaube, das könnte etwas Ernsthaftes sein. Hast du schon mit einem Arzt oder einer Psychologin gesprochen?

Weitere Hilfe nur anbieten, wenn du magst

Deine Aufmerksamkeit und Bereitschaft zuzuhören sind eine grosse Hilfe für dein Gegenüber. Es ist nicht schlimm, wenn es dabei bleibt. Wenn dir danach ist, kannst du praktische Hilfe anbieten, z.B. den Kollegen mittags vom Schreibtisch weg zum Essen abzuholen. Oder du belässt es beim Zuhören:

Du kannst gerne wieder mit mir darüber sprechen, wenn du magst.

Das solltest du vermeiden

Keine Schuldzuweisungen

Aussagen wie: «Du musst dich einfach etwas zusammenreissen» oder «Wir haben doch alle Stress» sind nicht hilfreich. Gerade psychische Erkrankungen sind nie eine Frage des Willens.

Keine Ratschläge und Tipps

Wir tendieren dazu, Lösungen anbieten zu wollen. Aussagen wie: «Du musst das nächste Mal einfach lockerer an die Sache ran» führen dazu, dass die Betroffenen sich unter Druck fühlen. Oder es gibt ihnen das Gefühl, man habe nicht richtig zugehört. Höre gut zu. Falls dein Gegenüber konkret fragt, was du raten würdest, kannst du auf passende Impulse oder auf diese Webseite verweisen.

Nicht von eigenen Problemen sprechen

In der guten Absicht, Verständnis und Mitgefühl auszudrücken, sprechen wir manchmal von eigenen Problemen. Dein Gegenüber fühlt sich dadurch leicht nicht ernst genommen. Hast du selbst eine ganz ähnliche Situation erlebt, teile deine Erfahrungen.

Keine Diagnosen stellen

Selbst wenn du vermutest, dein Gegenüber leide an einer spezifischen Krankheit: Überlass die Diagnose einer Fachperson! Dein Gegenüber fühlt sich sonst abgestempelt.

Keine Verniedlichungen

Sag nicht: «Das kommt sicher bald wieder gut» oder «Das geht vorbei». Durch solche Aussagen fühlen sich Betroffene nicht ernst genommen.

Dränge deine Kollegin nicht

Gehe mit der Haltung ins Gespräch, dass du nicht mehr erfahren willst, als dein Gegenüber bereit ist zu erzählen. Respektiere, wenn die andere Person das Gespräch abbricht. Du kannst es später wieder versuchen.

Gespräch beenden

Manchmal wird einem im Gespräch alles zu viel. Diese Sätze helfen dir, einen guten Gesprächsabschluss zu finden.

Ich glaube, im Moment kommen wir nicht mehr weiter. Ist es für dich ok, wenn wir über etwas anderes sprechen?

Jetzt weiss ich nicht mehr, was sagen. Holen wir uns noch einen Kaffee? Wir können gerne ein anderes Mal weiter darüber sprechen.

Nach dem Gespräch

Erfahrenes vertraulich behandeln

Behalte berufliche wie private Dinge aus dem Gespräch für dich. Wenn du das Bedürfnis hast, mit jemandem darüber zu sprechen, dann tu das im privaten Umfeld und sag nicht, um wen es geht. Wenn du jedoch das Gefühl hast, dass Handeln von aussen nötig ist, zum Beispiel bei Suizidgedanken, dann wende dich an die Dargebotene Hand, Telefon 143. Die Dargebotene Hand berät auch Personen im Umfeld von Menschen in Krisen.

Gib auf dich selbst acht

Es hilft niemandem, wenn du selbst krank wirst. Übernimm nicht einfach Arbeit vom Pult deines Kollegen! Nimm dir Zeit für deine eigenen Bedürfnisse und Interessen. Die folgenden Impulse unterstützen dich dabei.

Wenn du mehr darüber wissen willst, wie man über psychische Belastungen und Probleme spricht, findest du auf bei den Gesprächstipps "Ich sorge mich um jemanden in meinem Privatleben" weitere Inspiration.

Broschüre zur psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz mit weiteren Tipps und Anlaufstellen.

Herunterladen (PDF, 7 Seiten)