Ich mache mir Sorgen um jemanden, der pensioniert ist

Der Wechsel in den Ruhestand fällt vielen Menschen schwer. Mit einem Gespräch kannst du wesentlich dazu beitragen, dass es deinem Vater oder deiner Mutter, jemandem aus deinem Freundeskreis oder aus der Nachbarschaft besser geht. Diese Gesprächstipps helfen dir dabei.

Für viele ist die Pensionierung ein einschneidendes Ereignis, bei dem – manchmal früher, manchmal später – starke Gefühle aufkommen. Die Betroffenen werden vielleicht antriebslos, weil sie sich einsam fühlen, frustriert, weil sie weniger beweglich sind oder es vermissen, gebraucht zu werden. Einige kommen aus diesen Gefühlen nicht mehr heraus und brauchen Hilfe.

Hast du beobachtet, dass dein Vater, deine Mutter, deine Freundin, dein Freund oder jemand aus der Nachbarschaft über mehrere Wochen oder Monat

  • sich zurückzieht und nicht mehr meldet
  • verwahrlost wirkt
  • ungewöhnlich gereizt reagiert
  • irgendwie verändert oder traurig wirkt?

Dann ist es Zeit, etwas zu unternehmen.

Reden hilft

Über Ängste und negative Gefühle zu reden, ist der erste Schritt zur Besserung. Wenn du deine Beobachtungen ansprichst, hilfst du, dass aus der Krise keine psychische Erkrankung entsteht.

Gespräche entlasten und geben Kraft

Gespräche allein lösen keine Probleme in Luft auf. Erwarte nicht, dass sich nach eurem Gespräch gleich alles verändert. Aber: Ein Gegenüber zu haben, das zuhört, sich interessiert und mitfühlt, entlastet und tut gut.

Du brauchst die Probleme nicht zu lösen

Die Angst davor, die angesprochenen Probleme lösen zu müssen, hält viele von einem Gespräch ab. Aber: Es käme dir ja auch nie in den Sinn, jemandem einen entzündeten Blinddarm zu entfernen. Genauso wenig wird erwartet, dass du Einsamkeit oder chronische Schmerzen zum Verschwinden bringst. Dein offenes Ohr und dein Interesse sind bereits die Hilfe.

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«Wenn man selber nicht mehr die Kraft hat…dann ist es ganz wichtig, dass Angehörige oder Bekannte einem darauf hinweisen, wo man Hilfe holen kann.»

Veronica

Gespräch herbeiführen

Beachte deine eigene Stimmung

Such das Gespräch dann, wenn du dich gut fühlst und es dir zutraust.

Überleg dir einen geeigneten Zeitpunkt

Gespräche mit Tiefgang nehmen Zeit in Anspruch. Beginn also kein Gespräch, wenn Du oder dein Gegenüber nach 10 Minuten wieder los müssen. Manchmal hilft es zu fragen, wann die Person Zeit für ein Gespräch hat.

Ich möchte gerne in Ruhe mit dir reden. Wann hättest du mal Zeit?

Finde einen geeigneten Ort

Ihr solltet ungestört sein und euch beide wohlfühlen. Vielen Menschen fällt es im Gehen leichter, über schwierige Dinge zu sprechen. Allenfalls könnte ein Spaziergang im Wald oder bis zur nächsten Parkbank eine gute Gelegenheit sein.

Begleitest du mich beim Spazieren, oder sollen wir einfach mal zusammen einen Kaffee trinken?

Es ist in Ordnung, wenn es nicht klappt

Es ist möglich, dass dein Gegenüber nicht auf dein Gesprächsangebot einsteigt. Nimm es nicht persönlich. Vielleicht fühlt sich die andere Person momentan nicht in Stimmung. Oder vielleicht muss sie erst Mut fassen. Versuche es später wieder.

Ja, das verstehe ich. Würde es dir ein anderes Mal besser passen?

Übrigens: Du kannst dich auch beraten lassen, wie du am besten vorgehen sollst. Du findest hier geeignete Adressen und Angebote.

Das ist wichtig im Gespräch

So kannst du anfangen:

Ich mache mir Sorgen um dich, du wirkst in letzter Zeit etwas antriebslos.

Es beschäftigt mich, dass wir keinen Kontakt mehr haben/du nicht mehr an unsere Treffen kommst. Geht es dir nicht so gut?

Du bist ja bald/seit kurzem pensioniert. Wie geht es dir dabei?

Zuhören ist das Wichtigste

Viele Menschen haben Angst, nicht die richtigen Worte zu finden. Sie unterschätzen dabei, wie gut es tut, wenn jemand einfach mal zuhört und Anteil nimmt. Geh mit der Einstellung ins Gespräch, dass du nachempfinden möchtest, was die andere Person fühlt. Überlege dir gute Fragen, statt nach Antworten zu suchen.

Kannst du sagen, worauf du dich jeden Tag freust?

Wie fühlt es sich an, nicht mehr arbeiten gehen zu müssen/mehr alleine zu sein?

Wie sehen nun deine Tage aus?

Mitgefühl zeigen

Es tut gut, wenn man sich verstanden fühlt. So kannst du dein Mitgefühl ausdrücken:

Ich kann nachvollziehen, dass dich das belastet.

Es tut mir leid, dass es dir so schlecht geht.

Schweigen aushalten

Im Gespräch über schwierige Situationen fehlen manchmal allen die Worte. Lass Pausen und Schweigen zu. Um das Gespräch wieder in Gang zu bringen, hilft manchmal auch die Aussage:

Ich weiss jetzt auch grad nicht, was sagen.

Eigene Grenzen ernst nehmen

Wenn du den Eindruck hast, dein Gegenüber brauche mehr Unterstützung, kannst du sagen:

Ich weiss da jetzt auch nicht weiter.

Hast du dir schon einmal überlegt, mit einer Fachperson zu sprechen?

Du findest hier passende Adressen und Angebote. Das ist aber nicht immer nötig.

Weitere Hilfe nur anbieten, wenn du magst

Deine Aufmerksamkeit und Bereitschaft zuzuhören, sind eine grosse Hilfe für dein Gegenüber. Es ist nicht schlimm, wenn es dabei bleibt. Wenn dir danach ist, kannst du praktische Hilfe anbieten, z.B. eine Besorgung machen, mit anderen Menschen zusammenbringen oder zu einem Termin begleiten. Oder du belässt es beim Zuhören:

Du kannst gerne wieder mit mir darüber sprechen, wenn du magst.

Das solltest du vermeiden

Keine Schuldzuweisungen

Aussagen wie: «Stell dich nicht so an, du warst früher doch auch mal allein» oder «Du hättest dich halt etwas mehr auf die Pensionierung vorbereiten müssen», sind nie hilfreich. Gerade psychische Erkrankungen sind nie eine Frage des Willens.

Keine Ratschläge und Tipps

Wir tendieren dazu, immer Lösungen anbieten zu wollen. Aussagen wie: «Geh doch etwas mehr unter die Leute» führen dazu, dass die Betroffenen sich unter Druck fühlen. Oder sie bekommen das Gefühl, man habe ihnen nicht richtig zugehört. Höre gut zu. Falls dein Gegenüber konkret fragt, was du raten würdest, kannst du auf die Impulse verweisen, von denen du findest, sie passen.

Nicht von eigenen Problemen sprechen

In der guten Absicht, Verständnis und Mitgefühl auszudrücken, sprechen wir manchmal von eigenen Problemen. Dein Gegenüber fühlt sich dadurch leicht nicht ernst genommen. Teile deine Erfahrungen, falls du selber schon pensionierst bist.

Keine Diagnosen stellen

Selbst wenn du vermutest, dein Gegenüber leide an einer spezifischen Krankheit: Überlass die Diagnosestellung einer Fachperson! Dein Gegenüber fühlt sich sonst abgestempelt.

Keine Verniedlichungen

Sag nicht: «Das kommt sicher bald wieder gut» oder «Das geht vorbei». Durch solche Aussagen fühlen sich Betroffene nicht ernst genommen.

Dränge dein Gegenüber nicht

Gehe mit der Haltung ins Gespräch, dass du nicht mehr erfahren willst, als dein Gegenüber bereit ist zu erzählen. Respektiere, wenn die andere Person das Gespräch abbricht. Du kannst es später wieder versuchen.

Gespräch beenden

Manchmal wird einem im Gespräch alles zu viel. Diese Sätze helfen dir, einen guten Gesprächsabschluss zu finden:

Ich glaube, im Moment kommen wir nicht mehr weiter. Ist es für dich in Ordnung, wenn wir über etwas anderes sprechen?

Mich macht deine Situation sehr traurig. Ich wäre froh, etwas frische Luft zu schnappen und erst später wieder darüber zu sprechen.

Jetzt weiss ich nicht mehr, was sagen. Gehen wir noch ein paar Schritte zusammen? Wir können gerne ein anderes Mal weiter darüber sprechen.

Nach dem Gespräch

Erfahrenes vertraulich behandeln

Behalte private Dinge aus dem Gespräch für dich. Wenn du das Bedürfnis hast, mit jemandem darüber zu sprechen, dann sag nicht, um wen es geht. Wenn du jedoch das Gefühl hast, dass Handeln von aussen nötig ist, zum Beispiel bei Suizidgedanken, dann wende dich an die Dargebotene Hand, Telefon 143. Die Dargebotene Hand berät auch Personen im Umfeld von Menschen in Krisen.

Gib auf dich selbst acht

Es hilft niemandem, wenn du selbst krank wirst. Nimm dir Zeit für deine eigenen Bedürfnisse und Interessen.